Im Verhältnis zu ihrer CO2-Bilanz sind Austern und andere Lebensmittel, die der Mensch aus dem Meer gewinnt, nahrhafter als Zuchtvieh an Land.
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Wenn es um die Umweltfreundlichkeit tierischer Produkte geht, sind hitzige Diskussionen vorprogrammiert. Das Schnitzel oder neuerdings auch das Kistenfleisch aus dem Smoker ist vielen hierzulande heilig, 79 Kilogramm Fleisch essen Herr und Frau Österreicher im Durchschnitt jährlich – fast ein ganzes Schwein pro Kopf also –, was sich in der Klimabilanz niederschlägt.

Durch eine Umstellung auf eine vegane Lebensweise könnten laut Studien 70 Prozent des derzeit in der Nahrungsmittelproduktion erzeugten CO2 eingespart werden. Zumindest um zwei Drittel müsse der globale Fleischkonsum bis 2050 zurückgefahren werden, empfehlen Fachleute. Tierisches Protein könnte notfalls über den Verzehr von Insekten zugeführt werden.

Es müssen aber womöglich nicht gleich Heuschrecken sein. Eine Studie im Fachjournal "Communications Earth & Environment" hat nun die Auswirkungen von Meeresfisch und Muscheln aufs Klima untersucht und mit denen von Fleisch verglichen. Dabei zeigte sich, dass die CO2-Bilanz mancher Arten von Fisch deutlich besser ist als die von Fleisch.

Heringe haben eine bessere Klimabilanz als Rind- oder Schweinefleisch.
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Betrachtung der Nährstoffdichte

Die internationale Gruppe von Forschenden der kanadischen Dalhousie-Universität und des RISE-Forschungsinstituts aus Schweden betrachtete die Nährstoffdichte und Klimaauswirkungen von Meeresfrüchten und Fisch aus Zucht und Fischfang unter Einbeziehung einer breiten Palette von Fischereibetrieben und Aquakulturen. Das Ergebnis: Die Hälfte der analysierten Fischarten hatte eine höhere Nährstoffdichte und emittierte weniger Treibhausgase als Rind, Schwein und Huhn. Auch wurden große Unterschiede durch verschiedene Produktionsmethoden ausgemacht.

Allerdings sind Fisch und Meeresfrüchte in dieser Hinsicht nicht generell als gut zu bewerten, wie die Studie herausfand. Während Pazifische Heringe, Anchovis (also Sardellen) und Makrelen nur einen Bruchteil des CO2-Ausstoßes von Hühner- oder Schweinefleisch verursachen, schneiden Eismeergarnelen und Amerikanische Hummer deutlich schlechter ab als Fleischprodukte.

Krabbenkutter in Bremerhaven. Krustentiere schneiden in der nun vorgestellten Studie eher schlecht ab.
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Die Lebensmittel auf der ganzen Welt müssten nahrhafter werden und gleichzeitig ihren Klimafußabdruck verringern, um mit der wachsenden Bevölkerung Schritt zu halten, betonen die Forschenden. Ihre Kritik: Strategien zur Reduktion der Klimaemissionen zukünftiger Ernährungsweisen würden nur eine "grüne" Ernährung auf Pflanzenbasis forcieren und das Potenzial einer "blauen" Ernährung auf Meeresfrüchtebasis übersehen.

Allgemeine Umweltfolgen nicht betrachtet

Ein Hinweis darauf, wie die Meere den steigenden Bedarf an Lebensmitteln angesichts von Überfischung decken sollen, fehlt in der Arbeit – Umweltfragen abseits der CO2-Problematik habe man nicht betrachtet. Wie relevant die gute CO2-Bilanz von Wildlachs, auf die das Team hinweist, für die Ernährung der künftigen Weltbevölkerung sein wird, bleibt ebenfalls fraglich. Allerdings schneiden gezüchtete Muscheln und Austern in der Studie ebenfalls sehr gut ab und könnten einen Beitrag leisten.

Auch wenn Fisch und Meeresfrüchte laut dem Forschungsteam künftig eine stärkere Rolle spielen könnten, spricht weiterhin manches für eine "grüne" vegetarische Lebensweise, die sich in großangelegten Studien zudem als vorteilhaft zur Vermeidung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen erwiesen hat – mit vorsichtigem Einsatz von Milchprodukten wie Käse, die ebenfalls eine schlechte Klimabilanz haben. Als Kompromiss – oder besser: zusätzliche Ergänzung – könnten mit Algen auch Wasserpflanzen eine größere Rolle bei der Ernährung der Zukunft einnehmen. (Reinhard Kleindl, 10.9.2022)